Prokrastination und Aufschieberitis – wie zähme ich den inneren Schweinehund?

Dinge auf die lange Bank schieben

Kennen Sie das auch? Sie nehmen sich vor, mehr Sport zu machen, endlich den Schreibtisch aufzuräumen oder heute mal pünktlich ins Bett zu gehen – und dann kommen plötzlich „wichtige“ Dinge dazwischen, das Aufraffen ist einfach zu anstrengend und Sie verschieben den Start auf den morgigen Tag. In der Regel bleibt es bei der Bekundung: „Morgen fang ich an, ganz sicher!“

Wann wird die Aufschieberei zum Problem

Im Fachjargon spricht man von geringer Frustrationstoleranz – die Fähigkeit mit den (unvermeidbaren) Frustrationen des Lebens angemessen umzugehen. Viele der Patienten in Therapie und Beratung leiden darunter – Tendenz steigend. Zugunsten kurzfristigen Wohlbefindens werden Dinge und Aufgaben vermieden und auf die lange Bank geschoben. Je ausgeprägter dieses Verhalten ist, desto deutlicher sind die mittel- und langfristigen Konsequenzen, die sich in Unzufriedenheit, Niedergeschlagenheit, depressiven Symptomatiken, niedrigem Selbstwert und wenig Selbstvertrauen widerspiegeln. Auch soziale oder berufliche Konsequenzen, wie der Verlust von Beziehungen und Freundschaften oder Probleme am Arbeitsplatz sind nicht selten. Die Trennlinie zum psychischen Problem lässt sich nicht pauschal ziehen – entscheidend ist das persönlich empfundene Leid und der Wunsch dieses zu verändern.

Was Hänschen nicht lernt…

…muss Hans in diesem Fall mühsam nachlernen. Denn Frustrationsintoleranz ist angeboren. Babys kommen mit der Erwartung auf die Welt, dass ihre Bedürfnisse rund um die Uhr erfüllt werden. In den Kindheits- und Jugendjahren sollte im günstigen Fall gelernt werden,

  • zu warten und nicht alle Bedürfnisse sofort erfüllt zu bekommen.
  • zwischen Alternativen zu wählen und auf die Vorteile einer Alternative zu verzichten.
  • sich (längerfristig) anzustrengen, um ein gewünschtes Ziel zu erreichen.
  • für langfristige Zufriedenheit auf kurzfristiges Wohlbefinden zu verzichten.

Das ist anstrengend für Eltern und Kinder. Viele Eltern möchten ihrem Kind manches nicht zumuten und es ihrem Nachwuchs so angenehm, sicher und bequem wie möglich machen. Was in der Regel gut gemeint ist, führt dazu, dass die Kinder lernen, vermeidlich ohne Anstrengungen gut durchs Leben zu kommen. Die Konfrontation mit der „harten“ Realität folgt in der Schule oder spätestens beim Eintritt ins Studium oder Berufsleben. Denn ohne eigene Anstrengungen ist die Erreichung der gewünschten Ziele nicht möglich.

Umlernen ist schwer, aber möglich

Jeder kennt das. Man hat eine lästige Angewohnheit, die man gerne los wäre, aber es gelingt einfach nicht. Aus der Neurobiologie weiß man heute, dass einmal Gelerntes nicht einfach wieder gelöscht werden kann. Im Gegenteil, je öfter und länger Gefühls- und Verhaltensreaktionen wiederholt wurden, desto besser sind diese im Gehirn gebahnt und laufen oft automatisch ohne aktives Zutun ab. Möchte man eine Gefühls- oder Verhaltensreaktion verändern, bleibt nur der Weg, das neue Denken oder Verhalten immer wieder bewusst zu üben und zu wiederholen, bis dieses so gut gebahnt ist, dass die Chance größer wird, zukünftig mit dem neu Gelernten statt mit dem Altbekannten zu reagieren.

Insbesondere bei Menschen mit Frustrationsintoleranz-Problemen fällt dies doppelt schwer. Denn schließlich wurde genau das nicht gelernt: längere Anstrengungen ertragen, um ein gewünschtes Ziel zu erreichen.

Ich berate Sie dazu gerne im Erstgespräch.

Herzliche Grüße, Ralf Baumhöfer