Der Sokratische Dialog ist eine ursprünglich philosophische Unterrichtsmethode, die eigenverantwortliches Denken fördern will, indem sie zur Reflexion und Selbstbesinnung anleitet, übernommene Normen oder Vorurteile prüft und zum Selbstdenken anregt.
Von Alltagsbeobachtungen ausgehend, werden mit Hilfe der regressiven Abstraktion, dem Rückschluss vom Besonderen zum Allgemeinen, übergeordnete Einsichten und Erkenntnisse gesucht.
Der psychotherapeutische Sokratische Dialog bezeichnet einen philosophisch orientierten Gesprächsstil, der durch eine nicht-wissende, naiv fragende, um Verständnis bemühte, zugewandte, akzeptierende Therapeutenhaltung geprägt ist und chronologisch verschiedene Phasen durchläuft. Er dient einzig der Zielsetzung, dass der Klient durch die geleiteten Fragen des Therapeuten alte Sichtweise reflektiert und – falls er darin Widersprüche oder Mängel erkennt – eigenverantwortlich entscheidet, ob er eine neue funktionale Alternative erarbeiten und seine alte, dysfunktionale Ansicht zu Gunsten der neu erarbeiteten aufgeben will. Hierzu bedienen Therapeuten sich verschiedener Frage- und Disputtechniken und der Methode der! regressiven Abstraktion.
Die mit Abstand häufigsten Probleme, mit denen ich in der Behandlung konfrontiert werde, sind Selbstwertprobleme, die daraus resultieren, dass Menschen ihren Wert an unsinnigen Kriterien festmachen, sich selbst willkürlich beurteilen oder generalisierend betrachten.
Als soziale Wesen haben wir wohl schon seit jeher versucht, mit Hilfe der Selbsteinschätzung unseren Rang innerhalb einer Gruppe zu bestimmen. Diese Selbstbeurteilung ist dabei in der Regel so lange unproblematisch, als sie nicht pauschalisiert und den gesamten Selbstwert von einem einzelnen Kriterium abhängig macht.
Selbstbewertungsmaßstäbe sind nicht nur schichtspezifisch und durch soziale Normen geprägt (»Der Stärke hat recht«, »Der Klügere gibt nach«), sondern unterliegen auch kulturspezifischen Normen. Wer nicht das Gesicht, d. h. nicht an Wert verlieren möchte, muss beispielsweise in Asien seine Emotionen unter Kontrolle halten, in Polynesien Schmerzen klaglos hinnehmen können, als Mann in Australien sportlich und darf als Frau in Brasilien nicht übergewichtig sein.
Selbstbeurteilungsmaßstäbe, die uns in Mitteleuropa am meisten zu schaffen machen, sind: “
- Hast du was, bist du was!
- Kannst du was, bist du wer!
- Wissen ist Macht (und Mächtige sind besser)!
- Viel Freund’, viel Ehr’!«Viel Feind’, viel Ehr’!
- Wer Fehler macht, ist ein Versager (und Versager taugen nichts)
- Ein Mann, ein Wort!« „
- Ohne Fleiß, keinen Preis!«
- Männer weinen nicht!«
Wohl jeder kennt diese Normen und hat den einen oder anderen dieser Maßstäbe von klein auf verinnerlicht. Das allein ist noch nicht pathologisch. Erst wenn diese Normen unreflektiert aus dem Verborgenen, unbewusst unser Denken und Verhalten bestimmen, weil wir sie immer noch glauben, ohne uns selbst darüber im Klaren zu sein, wird oft ein Selbstwertproblem daraus Selbstwertprobleme gehen teilweise mit schwersten emotionalen Turbulenzen einher: Scham, Angst, Selbstärger bis zum Selbsthass,mit oder ohne Selbstbestrafung und Niedergeschlagenheit bis hin zu schwerer Depression und schweren emotionalen Turbolenzen. Je weniger die Betroffenen dabei kulturell akzeptierte Möglichkeiten sehen, ihre emotionalen Probleme mitzuteilen und zu bearbeiten, umso größer der Leidensdruck.