Die drei Wellen der Verhaltenstherapie incl. Schematherapie
Erste und zweite Welle.
Die Verhaltenstherapie ist eine Richtung der Psychotherapie, die sich anfänglich in Abgrenzung zur Psychoanalyse entwickelt hat. Während andere Verfahren unbewusste Vorgänge im Seelenleben betonte, wollte die Verhaltenstherapie sich nur mit solchem Verhalten befassen, das man naturwissenschaftlich nicht subjektiv beobachten kann.
Man bezeichnet dies als die erste bzw. »behavioristische Welle« der Verhaltenstherapie. Allerdings ließ sich diese Beschränkung nicht lange durchhalten und bald gab es die zweite sog. »kognitive Welle«. Hierbei wurde den dysfunktionalen Gedanken des Klienten Aufmerksamkeit geschenkt und sie wurden in psychotherapeutischer Weise verändert (z. B. durch kognitive Umstrukturierung). Der Übergang von der ersten zur zweiten Welle der Verhaltenstherapie ist einerseits erstaunlich, andererseits passt er gut zu den verhaltenstherapeutischen Grundsätzen von Konkretheit und Wissenschaftlichkeit.
Verhaltenstherapie will menschliches Verhalten möglichst konkret behandeln und dann mit empirischen Methoden wissenschaftlich untersuchen. Dabei wurden die Kognitionen immer stärker in ihrer therapeutischen Bedeutung erkannt.
Dritte Welle
Seit den 1990-er Jahren wurden von der Verhaltenstherapie auch Konzepte bzw. Therapiemethoden übernommen, die aus bis dahin verpönten Therapieschulen stammen, zum Beispiel von der Psychoanalyse, der humanistischen Therapie und von meditativen Verfahren. Es entstanden Therapieverfahren, bei denen Emotion, Achtsamkeit, Akzeptanz, therapeutische Beziehung, Meditation wichtig sind. Man bezeichnet diese neueren Methoden gerne zusammenfassend als die »dritte Welle« der Verhaltenstherapie. Allerdings ist bei diesem Bild von den drei Wellen zu beachten, dass sie sich nicht ablösen, etwa in der Art, dass das Neue das Alte ersetzt. Vielmehr ergänzen sich die verschiedenen verhaltenstherapeutischen Zugangsweisen und Methoden.
Schematherapie: Einen besonderen Stellenwert unter den neuen Therapiemethoden, die in die Verhaltenstherapie integriert wurden, hat die Schematherapie (Young, 2003) bekommen. Sie vereinigt Elemente der Verhaltenstherapie und der Psychoanalyse zu einem Therapieverfahren, in dem die Grundbedürfnisse des Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden. Zentrale Frage ist: »Was braucht es wirklich, damit es dem Klienten wieder besser geht?
Bei der Schematherapie handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Kognitiven Verhaltenstherapie, in die tiefenpsychologische Elemente, Elemente aus der Bindungstheorie, der Gestalttherapie und emotionsorientierte Interventionsstrategien eingebunden sind.
Bei einem dysfunktionalen Schema handelt es sich um ein breites, übergeordnetes Lebensmuster bzw. -thema, das ein Geflecht aus Gedanken,
Gefühlen, Körperwahrnehmungen und Erinnerungen darstellt. Durch die Arbeit an unseren Modi, emotional aufgeladenen aktuell vorherrschenden Zuständen, die durch zu einem bestimmten Zeitpunkt dominierende Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Verhaltensweisen charakterisiert sind, wird die therapeutische Arbeit im »Hier und Jetzt« erleichtert. Es kann gezielt darauf hingearbeitet werden, dass der Patient in der Therapiesitzung in einem emotionalen Zustand ist, in dem eine emotionale Verarbeitung möglich ist.
Zentrale Ziele in der Schematherapie sind die Erarbeitung und angemessene Erfüllung sogenannter Kernbedürfnisse des Patienten, um damit langfristig eine Heilung dysfunktionaler Schemata und Modi zu erreichen. Young et al. (2003) haben fünf Kernbedürfnisse definiert, die in Kindheit und Jugend von engen Bezugspersonen erfüllt werden sollten:
(1) Sicherheit/Vorhersagbarkeit/Liebe/Bindung
(2) Autonomie/Kompetenzgefühl
(3) Freiheit, eigene Gefühle auszudrücken und diese validiert zu bekommen
(4) Spiel/Spontanität
(5) Das Erleben realistischer Grenzen
Die angemessene Erfüllung dieser Kernbedürfnisse in Kindheit und Jugend, so die Theorie der Schematherapie, ermöglicht ein gesundes Reifen der Persönlichkeit und eine stabile psychische Gesundheit im Erwachsenenalter. Gerade Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und anderen chronischen psychischen Erkrankungen haben in vielen Fällen erlebt, dass diese Kernbedürfnisse in Kindheit und Jugend aus verschiedenen
Gründen (z. B. Krankheit oder Tod von wichtigen Bezugspersonen, Vernachlässigung, Missbrauch etc.) nicht oder nicht ausreichend erfüllt wurden. Dementsprechend haben sie auch nicht gelernt, diese Bedürfnisse im Erwachsenenalter wahrzunehmen und selbst Sorge dafür zu tragen, dass sie angemessen erfüllt werden. In diesem Kontext spielt die besondere Therapiebeziehung in der Schematherapie, das sogenannte Limited Reparenting (übersetzt mit »begrenzte Nachbeelterung« oder »begrenzte elterliche Fürsorge«) eine wichtige Rolle. Im Rahmen des Limited Reparenting stellt der Therapeut ein Modell einer Bezugsperson dar, die dem Klienten als Kind gefehlt hat, und ist damit gleichzeitig ein Modell für den Modus des gesunden Erwachsenen des Klienten. Das heißt, der Therapeut verhält sich begrenzt wie ein »guter Elternteil«, der dem Klienten hilft, seine Bedürfnisse wahrnehmen zu lernen und sie sich entsprechend in adaptiver und angemessener Weise erfüllen zu können.
Die Schematherapie zielt auf langfristige und stabile Veränderung in der Symptomatik eines Klienten und die Verbesserung seiner Lebensqualität.
Gerne berate ich Sie dazu in einem Erstgespräch.
Herzliche Grüße, Ralf Baumhöfer