Suchtentwicklung
Es gibt unterschiedliche Modelle für die Entstehung einer Sucht. Während psychologische Modelle vor allem auf Lern-, Bewältigungs-, konfliktdynamische, motivationale oder persönlichkeitsorientierte Aspekte fokussieren, stehen in biologisch orientierten Modellen Veränderungen der Hirn- und Körperorganik im Vordergrund.
Soziologische Modelle wiederum betonen soziale Einbettungen des Suchtgeschehens, wozu auch die „Definition“ einer Sucht gehört. Das betrifft die Drogenpolitik einer Regierung, zeitliche Besonderheiten des legalen und illegalen Drogenmarkts (z.B. Erscheinen und Wandlungen der Alkopops) oder die Verfügbarkeit von Substanzen, eben aber auch die tolerierte Intensität des spielens.
Die Veränderung persönlicher und gesellschaftlicher Lebensrealitäten hat sich insbesondere durch die Technisierung und vor allem durch jederzeit verfügbare Computer- bzw. Internet-Anwendungen in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten zunehmend beschleunigt. Gerade in Bezug auf die Nutzung von Internet-Angeboten ist ein stetiger Anstieg über alle Altersgruppen hinweg zu verzeichnen.
Die technische Weiterentwicklung im Bereich der Prozessorgeschwindigkeit, aber auch der grafischen Darstellung machen dabei spezifische Anwendungen für Nutzer zunehmend attraktiver. Über das Internet spielbare Computerspiele und insbesondere die Multiplayer Online Games scheinen aufgrund ihrer Charakteristik eine besondere Attraktivität zu haben.
Die Spiele charakterisieren sich durch eine 24-stündige Verfügbarkeit des Spieles über das Internet, das gemeinsame Spiel in Echtzeit, die Organisation der Spieler in Gruppen von Spielern (Gilden) und eine hohe Spielbindung durch soziale Verpflichtungen innerhalb der Spielgruppe. Dabei spielt jeder Nutzer innerhalb des Spieles mit einer eigenen Spielfigur (Avatar), die nicht nur durch Rollenzuschreibung mit spezifischen Aufgaben , sondern auch mit bestimmten Charaktereigenschaften versehen ist. Bezüglich der Frage der Übernahme von Rolleneigenschaften der eigenen Spielfigur existieren Hinweise, dass abhängiges Spielen von Online-Rollenspielen gerade mit dem Ausmaß der Identifikation mit den Charaktereigenschaften der eigenen Spielfigur korreliert sein könnte
Schleichend, durch die Gewöhnung entsteht eine Sucht.
- Der Internet-Gebrauch wird fortgeführt trotz der Absicht, ihn zu beenden.
- Der Internet-Gebrauch dominiert das Verhalten und Denken.
- Es werden unangenehme emotionale Zustände erfahren, wenn das Internet nicht genutzt werden kann.
- Das Internet wird genutzt, um negative emotionale Zustände zu mildern.
- Die Internet-Nutzung führt zu intra- oder interpersonellen Konflikten.
Während zu Beginn der Abhängigkeitsentwicklung die primär positive Wirkung der Internet- bzw. Computerspielnutzung eine bedeutende Rolle spielen sollte, geraten Betroffene nach dem Modell längerfristig in einen Teufelskreis aus langfristig negativen Konsequenzen z.B. soziale Isolation, Verschlechterung schulischer Leistungen, Verschlechterung der Depressivität, Exazerbation sozialer Ängstlichkeit, die wiederum durch neuerlichen Internet- bzw. Computerspielgebrauch kompensiert und damit negativ verstärkend aufrecht erhalten werden. Die Entwicklung einer Abhängigkeit könnte so bei einem Betroffenen, der über die Phasen des zunächst regelmäßigen, riskanten und dysfunktionalen Konsums im Sinne einer Nutzung des Mediums zur Affektregulation zu einem missbräuchlichen im Sinne der Fortführung des Verhaltens trotz wiederholt negativer undschädlicher Konsequenzen und dann abhängigen Konsum im Sinne der oben dargestellten diagnostischen Kriterien übergeht.
Video- und Computerpielsucht gilt auch offiziell als Krankheit. Das hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nun auf einer Tagung (20.05.2019) in Genf bestätigt. Damit findet sich im neuen internationalen Katalog der Krankheiten (genannt International Classification of Diseases oder ICD-11, umfasst knapp 55.000 Krankheiten) nun auch ein Eintrag für die sogenannte »Gaming Disorder«.
Konkret ändern wird sich durch die Entscheidung der WHO laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass in Deutschland nun entsprechende Behandlungen der Krankheit möglich sein müssen. Vor allen Dingen müssten Therapien gegen diese Krankheit auch durch gesetzliche Krankenkassen finanziert werden. Wer also an einer Videospielsucht leidet, muss die Behandlung künftig nicht mehr allein bezahlen.
Gegenwertig leider noch nicht der Fall. Die WHO stimmt über neuen Katalog der Krankheiten ab
Original-Meldung vom 20.05.2019:
Bei der Weltgesundheitsversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf findet noch in dieser Woche eine Abstimmung darüber statt, ob »Gaming Disorder«(Videospiele-Krankheit oder Spielsucht) in Zukunft final in den Krankheiten-Katalog ICD-11 aufgenommen wird.
Wir hatten bereits letztes Jahr berichtet: Erstmals 2017 hatte die WHO Sucht nach Videospielen als psychische Störung vorläufig anerkannt. Mit der Veröffentlichung der elften Iteration des Katalogs International Classification of Diseases (ICD-11) im Jahr 2018 war diese finale Krankheit nicht offiziell.
Für die ambulante Behandlung von Patienten mit Internet- und/ oder Computerspielsucht existieren erste deutschsprachiges manualisiertes Behandlungsprogramme in Form der Kurzeittherapie.
Gerne berate ich Sie dazu in einem Erstgespräch.
Herzliche Grüße, Ralf Baumhöfer